Free at last – From Ornette’s point of view

Free at last – From Ornette’s point of view 2010

Jazzpool NRW Herbst 2010 / Begegnung mit Polen

In diesem Jahr feiert der große Ornette Coleman den 80. Geburtstag. Sein Erscheinen auf der New Yorker Jazzszene, 1959, erregte mehr Aufregung und wütende Reaktionen, als alle stilistischen Innovationen zuvor. Noch bevor die studentischen Proteste dazu aufforderten, „macht kaputt , was Euch kaputt macht“, räumte Ornette in der ästhetischen Schublade des Mainstream kräftig auf und gab dem entschlackten Sound dann auch gleich den passenden Namen: Free Jazz. Wie es so oft in der Kunst, versteht man fünfzig Jahre später die Verbitterung nicht mehr, denn was Ornette und sein erstes Quartett an wunderbarer Musik kreierten, erklärt sich im Laufe der Zeit als eine ganz logische Weiterentwicklung der Musik von Charlie Parker und Thelonious Monk.

Enorm wichtig war Ornettes Befreiungsschlag für die Jazzmusik in Europa. Mit dem neuen, freien Geist fing man hier endlich an, eigene musikalische Wege zu finden. In Deutschland entwickelten Musiker wie Peter Brötzmann und Alex Schlippenbach eine andere, viel radikalere Version des Free Jazz. Besonders faszinierend ist, was hinter dem eisernen Vorhang, in Polen, an Kreativität aufblühte. Der Kreis um Krystof Komeda bot eine Jazzvariante, die nicht mehr nach den USA schielte und sehr schnell einen ganz typischen Sound fand. Da, wo die gesellschaftlichen Zustände besonders brutal waren, spielten Leute wie Tomasz Stanko und Michal Urbaniak einen zeitgenössischen Jazz, der ganz unverkrampft sogar hochromantisch sein konnte.

Ist es ein Zufall, dass gerade in diesem Land zwanzig Jahre später die große Erosion begann, die schließlich zum Zusammenbruch des Kommunismus führte? Oder ist Kunst und sind Künstler doch mehr als schmückendes Beiwerk? Z.B. feinnervige Seismographen ihrer gesellschaftlichen Umgebung. Ornette Coleman nahm es für die „roaring sixties“ voraus, die polnischen Jazzmusiker spielten das, was 1989 Realität wurde: Free at last.